Träume, Türen, Angst und Karten. (M)eine Mutmacher-Geschichte.

Vor einigen Tagen hat mich meine Freundin Sandra Liane Braun – Raus aus dem Stress, rein ins Leben. Coach und Gedankensortiererin, wenn Du sagst „Ich kann nicht mehr!“ gefragt, was eigentlich mein Traum war als Kind. Was ich mir gewünscht habe. Und vor allem, was aus meinem Traum geworden ist? Einerseits keine Fragen, die man mal so im Nebengang beantwortet. Auf der anderen Seite allerdings Fragen, deren Antworten hoffentlich Mut machen. Mir und hoffentlich auch dir. Und weil es nur einen Weg gibt, dies herauszufinden, ist dieser sehr persönliche Blog-Eintrag entstanden.

Mein Traum – damals und heute

Als Kind war mein Traum im Prinzip ganz simpel. Genau genommen war es ein Wunsch. Ich habe mir das gewünscht, was sich vermutlich alle Kinder wünschen: Ich wollte gehört werden, geliebt werden, wollte, dass man mich so nimmt, wie ich bin. Ich wollte Fehler machen dürfen, ohne ausgeschimpft zu werden. Von und mit meinen Eltern lernen – ohne Druck, dafür mit Sicherheit. Ich wollte, dass mir jemand auf die Schulter klopft, mir den Rücken stärkt und im entscheidenden Moment, wenn ich nicht weiterkomme, sagt: „Mach einfach den nächsten Schritt. Es lohnt sich!“

Es hat lange gedauert, aber heute – als Trainer, Redner, Coach, Lebenspartner und vor allem Vater – lebe ich diesen Traum. Wenn auch etwas anders als vielleicht gedacht. Doch bis hierher war es ein langer, holpriger Weg, oder wie Steve Jobs wohl sagen würde: Es waren viele Punkte.

„Du kannst die Punkte nicht vorwärts blickend verbinden, sondern nur rückblickend. Deshalb musst du darauf vertrauen, dass sich die Punkte eines Tages irgendwie verknüpfen werden.“  (Steve Jobs)

Wenn ich heute zurückschaue auf mein bisheriges Leben, auf all die Momente, dann glaube ich zu verstehen, was er meinte. Und von diesen Punkten will ich dir erzählen. Mögen es dir Mut machen oder zumindest hier und da ein Lächeln ins Gesicht zaubern.

Wie alles begann…und die Sache mit der Tür

Solange ich denken kann, spielen die Themen Unsicherheit, Planen und Entscheiden eine große Rolle in meinem Leben. Unweigerlich verknüpfe ich damit auch viel Druck, Angst, aber auch Hoffnung, doch eins nach dem anderen.

Wenn ich an meine Kindheit denke, erinnere ich viele Momente, die sich für immer in mein Gedächtnis eingebrannt haben. Schöne Momente, aber vor allem auch traurige und schmerzhafte. Zum Beispiel dieser Moment, in dem ich als kleines Kind hinter der Tür in meinem Zimmer stand. Mein Vater, mal wieder alkoholisiert, sprach mit meiner Mutter in einem Ton und behandelte sie auf eine Weise, die ich nicht ertragen konnte. Schon als kleines Kind wusste ich, dass es falsch war. Ich wollte eingreifen, wollte, dass es aufhört. Doch ich konnte es nicht stoppen, denn ich war erstarrt vor Angst. Angst vor dem, was hätte passieren können, was ich hätte sehen und was ich hätte erleben können, wenn ich durch diese Tür gegangen wäre. Und so blieb ich hinter der Tür stehen. Ein ums andere Mal. Tür um Tür. Jahr für Jahr.

Ich habe mich oft gefragt, welchen Verlauf mein Leben wohl genommen hätte, wenn ich diese eine Entscheidung anders getroffen und die Tür geöffnet hätte. Ich habe seitdem aber auch gelernt, dass die Antwort auf diese Frage irrelevant ist, denn es ist Vergangenheit. Mittlerweile habe ich für mich auch erkannt, dass das Leben voll ist von Türen, von Gelegenheiten und von neuen Möglichkeiten.

Mein 18. Geburtstag – der beste meines Lebens

Warum dieser Geburtstag der bisher beste war? Weil ich kurz vorher endlich mit meiner Mutter aus dem Haus meines Vaters ausgezogen war. Ich war einfach nur glücklich, dass wir endlich raus waren.

Es dauerte allerdings lange, bis ich zumindest ansatzweise verstand, warum meine Mutter nicht früher gehen konnte. Warum mein Vater sich so verhielt, wie er es tat. Und warum es ihm so schwerfiel, sich zu verändern, sofern er es überhaupt tat. Auch wurde mir klar, dass letztlich jeder Erwachsene selbst verantwortlich ist für das eigene Verhalten und die eigene Entwicklung. Alles, was man dem Menschen gegenüber bieten kann, ist Akzeptanz. Die Akzeptanz ihn so zu nehmen, wie er (aktuell) ist. Auch, wenn das oftmals alles andere als leicht ist.

Damit wir uns nicht falsch verstehen: Ich hasse meinen Vater nicht (mehr). Die Freude über die neuen Möglichkeiten, die mein 18. Geburtstag mit sich brachte, verdrängten schnell die vielen schmerzhaften Erinnerungen. Und ich hatte viel Zeit zum Nachdenken. Vielmehr bricht es mir noch heute das Herz, wie wenig er aus seinem Potenzial gemacht hat. Wie wenige, großartige Ideen je den Weg aus seinem Kopf gefunden haben. Wie wenige, unbezahlbare Momente mit den eigenen Kindern er sich selbst geschenkt hat.

Freundin + Studium = eine neue Zeitrechnung

Bereits kurz nach meinem Neuanfang mit 18 traf ich meine große Liebe Caro. Einige Zeit später fing ich an, Soziologie und Psychologie zu studieren. Meine Welt blühte auf. Das war das Leben, das ich bestellt hatte. Ich hatte reichlich Gelegenheit, Antworten zu finden. Antworten auf all die Fragen, die sich in mir über die Jahre angestaut hatten.

Ich tobte mich aus mit all den Themen, die mich so sehr interessieren. Wie funktionieren soziale Systeme? Wie tickt der Mensch? Und warum ist Veränderung so schwer? Es war eine großartige Reise. Mit Spekulatius in der einen Hand und Pfefferminztee in der anderen staunte ich immer wieder darüber, wie unterschiedlich Meinungen und Perspektiven doch ausfallen können und wie viel es von anderen zu lernen gab.

Wenn du denkst, es läuft…

Das Ende meines Studiums nahte. Ich war schon ganz gespannt auf die Zeit danach und wo ich wohl arbeiten würde. Dann, eines Tages – völlig unerwartet – erschütterte ein mentales Erdbeben im Klassenraum meine Welt. Eine Panikattacke. Ich dachte nur „Ich sterbe. Mit 25. Im Französischunterricht!“

Da war sie wieder – die Tür aus meiner Kindheit. Die Tage wurden dunkel. Alles kam wieder hoch. Meine Ängste und Sorgen, die ich längst verdrängt hatte, holten mich wieder ein. Doch ich wollte nicht mehr wegrennen. Ich wollte nicht nochmal 18 Jahre warten, bis jemand mich „rauswirft“ – oder besser „ins Leben reinwirft“. Also öffnete ich diesmal die Tür. Es war nur die erste von so einigen. Jede einzelne führte in eine Praxis: Gleich mehrere Psychologen besuchte ich in nur einer Woche. Denn was im Französischunterricht begann, griff in wenigen Tagen auf mein ganzes Leben über. Diagnose: Angstneurose. Na klasse!

Tag für Tag begleitete sie mich. Diese Angst, die ich schon aus der Kindheit kannte. Diesmal jedoch ohne Vater. Alles wurde zur Qual. Vorlesungen, Busfahrten, Kinobesuche und selbst Spaziergänge. Ins Fitness-Studio ging ich auch nicht mehr. Trotzdem verbrannte ich ordentlich Kalorien, immerhin – dafür sorgten die Panikattacken. Alles drehte sich nur noch um Angst, Kontrolle und Stress. Ich suchte nach Antworten, insbesondere auf die Frage, was ich eigentlich in meinem Leben wollte. Zum Glück hatte ich Unterstützung – Therapeut sei Dank.

2006 beendete ich mein Studium erfolgreich. Streng genommen beendeten WIR mein Studium, denn ohne die Unterstützung meiner Frau Caro hätte ich es vielleicht nicht geschafft. Statt eines Jobs allerdings gab es nur Ernüchterungen und Absagen.

Einige Monate vergingen und ich steckte im unbezahlten Praktikum und verdiente mein Geld mit Nebenjobs. Immer wieder blickte ich auf das vermeintlich wundervolle Leben der Anderen. Prall gefüllt mit ambitionierten Zielen und Träumen. Mein persönliches Ziel zu dieser Zeit war ein ganz einfaches: 30 werden. Irgendwie!

Aber immerhin: Dank Angstneurose widme ich mich hochmotiviert ganz praktisch den Themen Meditation, progressive Muskelentspannung und Stressmanagement. Jeden Tag. Schritt für Schritt. Raus aus dem Dunkel. Rein ins Licht.

Mit (positiven) Überraschungen ist immer zu rechnen

Dann, eines Tages, veränderte eine Geburtstagsparty alles. Das erste Mal in meinem Leben spielte ich … Poker. Anfangs ein Hobby, wurde es schon nach wenigen Wochen eine Leidenschaft und 2009 zu meinem Beruf. Ich wurde Poker-Profi. Erfolgreich.

Die Online-Welt führte mich auf ein Trainingsfeld, wo ich täglich tausende Entscheidungen traf. Mit Menschen aus der ganzen Welt um die Wette entscheide. Unter Unsicherheit. Unter Druck. Mit begrenzten Informationen. Eine Welt, in der eine Karte binnen einer Sekunde alles verändern kann. Wie im echten Leben. Dabei jagte ich aber nicht das Glück, sondern kluge Entscheidungen. Und ich zockte auch nicht, sondern kalkulierte und investierte.

Dabei erlebte und erfuhr ich, wie wichtig Mindset, Stressmanagement und Impulskontrolle sind. Und wieder erlebte ich, wie verschieden Menschen in ihrer Wahrnehmung sind, in ihren Annahmen und Interpretationen. Und wieviel man von anderen lernen kann.

Karten, Erkenntnisse und die Sache mit der Demut

Poker leerte mich Disziplin, Perspektivwechsel und Selbstbeobachtung. Es zeigte mir, wie wichtig Fokus ist und ein langer Atem. Es zwang mich zu Ehrlichkeit im Umgang mit den eigenen Schwächen, sofern ich wirklich vorankommen wollte. Und das wollte ich! Vor allem aber lehrte es mich eins: Demut. Denn die Karten haben kein Gewissen. Sie fallen, wie sie fallen. Sich darüber zu beschweren kostet nur Kraft und bringt bestenfalls graue Haare. Die Karten aber zu akzeptieren, wie sie fallen, wurde zu meiner Maxime. Im Leben wie am Pokertisch.

Bis Ende 2015 war Poker mein Trainingsfeld, mein Erlebnisraum, mein Lehrer. Es war zweifellos eine emotionale Reise, der ich sicherlich einige Falten auf meiner Stirn verdanke. Aber zum Glück waren da wieder Menschen, die mich unterstützen. Allen voran meine Poker Coaches Aaron und Phil, meine Poker-Freundschaften Fabian und Daniel sowie all meine Bücher schreibenden Helden – allen voran Daniel Kahnemann. Sie trösteten mich, bauten mich auf und lobten mich. Sie waren meine mentalen Sparringspartner und Feedbackgeber auf der gemeinsamen Suche nach Antworten auf all die spannenden Warums, Wies und Wozus.

Und ein weiteres Mal war da meine Frau. Sie ertrug ein ums andere all meine Geschichten und Anekdoten. Nicht weil es sie nach dem 100sten Mal noch wirklich interessierte, sondern, weil sie wusste, dass es mir guttat.

Seit 21 Jahren ist sie nun an meiner Seite. Das nenne ich Geduld! Und dann hat sie auch noch zwei Kids mit mir. Damit sind wir beim größten Thema in meinem Leben.

Ein völlig neues Level… auf zwei Beinen

2012 wurde mein Sohn Hugo geboren. Nie zuvor im Leben hatte ich mehr Verantwortung gespürt als in dem Moment, als ich ihn das erste Mal im Arm hielt. Und nie zuvor hatte mich Verantwortung so glücklich gemacht. Mit der Geburt meiner Tochter Mathilda 2017 durfte ich diese wunderschöne Erfahrung sogar noch einmal machen. Bis heute bin ich unendlich dankbar zu für diese Geschenke (und hoffentlich erinnere ich mich daran, wenn die Pubertät mal anklopft). Und ich bin dankbar für das großartige Gefühl, dass es etwas Wichtigeres gibt als einen selbst. Einen höheren Sinn, der einem den Rücken stärkt beim Öffnen all der Türen, die das Leben noch bereithält. Jim Carrey hat einmal gesagt:

„Der Effekt, den du auf andere Menschen hast, ist die wichtigste Währung, die es gibt.“  (Jim Carrey)

Und genau diesem Effekt folgend traf ich Ende 2015 eine Entscheidung.

Das Happy End eines Traums?

Ende 2015 beendete ich meine Karriere als Poker-Profi. Ich wollte diesen Effekt, von dem Jim Carrey spricht, auch beruflich. Und ich fand ihn – in der Welt der Business-Trainings, Workshops, Coachings und Vorträge. Natürlich hatte ich an manchen Tagen in dieser Zeit des großen Umbruchs auch Angst, aber damit kannte ich mich mittlerweile aus.

Zudem waren die neuen Türen einfach zu verlockend, als sie nicht zu öffnen. Ich war mutiger geworden über die Jahre bzw. Jahrzehnte, stellte ich fest und es fühlte sich so gut an!

Es folgten kontinuierliche Weiterbildungen, Trainings und Reden. Ich begegnete wunderbaren Menschen, vor allem am Institut für angewandte positive Psychologie in Berlin, allen voran Sascha. Oder in meinem Redeclub First-Berlin Toastmasters. Dort lerne ich bis heute, Hirn, Herz und Stimme so zu verbinden, dass sie einen möglichst großen Effekt auf Menschen haben. Sie berühren, zum Nachdenken anregen UND motivieren, einen Schritt nach vorne zu machen.

Anfang 2016 gründete ich meine erste kleine Unternehmung und fing an, andere Poker-Profis zu coachen. Bald schon begann ich zudem, Business-Trainings am Pokertisch zu entwickeln. Erneut, diesmal auf meinem Weg in die Business-Welt, fand ich Inspiration, Ermutigung und Motivation im Austausch mit anderen Menschen – wie bspw. Marcel und Peter von ActionLab International.

Heute lebe ich meinen Traum von damals – in doppelter Hinsicht.

Was habe ich bis hier gelernt? Erstens, mir selbst zuzuhören, mich selbst so zu nehmen, wie ich aktuell bin. Ich erlaube mir, Fehler zu machen, ohne mich auszuschimpfen. Ich klopfe mir heutzutage häufiger mal auf die Schulter und sage mir: „Mach einfach den nächsten Schritt, Tino. Es lohnt sich!“.

Was mir aber noch viel wichtiger ist, ist das „Zweitens“. Wenn ich heutzutage als Trainer Menschen und Teams an den Pokertisch einlade. Oder wenn wir in Workshops gemeinsam in die Welt der Fehlerkultur oder des Feedbacks eintauchen. Oder wenn ich mit meinen Kindern Karten spiele, dann empfinde ich großes Glück. Denn ich kann ihnen den Wunsch erfüllen, den – daran glaube ich zutiefst – wir alle in uns tragen. Ich darf hören, was sie zu sagen haben. Ich darf sie so nehmen, wie sie sind. Ich darf sie einladen in eine sichere Welt, wo man experimentieren und Fehler machen darf. Wo man lernen kann. Miteinander. Voneinander. Übereinander. Ohne Druck. Dafür mit Sicherheit. Eine Welt, wo ich, wann immer nötig, mit einem zuversichtlichen Lächeln voller Überzeugung sagen darf: „Mach einfach den nächsten Schritt. Es lohnt sich!“

Herzliche Grüße

Tino

PS: An dieser Stelle danke ich auch ganz besonders Dr. Annika-Backe-Dahmen, und Dani Mertens, die mir bei diesem besonderen Blogbeitrag geholfen haben, meine Gedanken zu ordnen und in Wort und Schrift zu fassen!

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