Es war Sonntag, 23 Uhr im Winter 2007.  Draußen war es dunkel und kalt. In mir drinnen sah es ähnlich aus. Ich lag in meinem Bett. Nervös, aufgeregt, verunsichert. Eigentlich wollte ich schlafen, aber meine Gedanken ließen mich nicht zur Ruhe kommen. Ich hatte einige Monate zuvor mein Studium in Soziologie und Psychologie abgeschlossen. Meine Hoffnungen auf einen erfüllten Job wichen schnell der ernüchternden Realität. Als ich dort saß, stellte ich mir immer wieder diese eine Frage: Wie bin ich in dieser Situation gelandet?
In dieser Nacht realisierte ich, dass mein Umstand das Resultat vieler Entscheidungen war. Es waren Entscheidungen wie: was studiere ich, wo studiere ich, auf welche Weise und mit welchem Ziel und soll ich überhaupt studieren. Hätte mich in dieser Nacht jemand gefragt, wie ich zu diesen Entscheidungen gekommen bin – ich hätte aus Verlegenheit einfach so getan, als würde ich schlafen. Aber immerhin fing ich an über Entscheidungen nachzudenken und das sollte so schnell auch nicht mehr aufhören.

Entscheiden, Entscheiden, Entscheiden – 20.000-mal am Tag

Wenn das mal keine Hausnummer ist. Es fängt bereits am Morgen an. Soll ich sofort aufstehen oder drehe ich noch eine Ehrenrunde. Was esse ich zum Frühstück? Fahre ich mit Auto, Bahn oder Fahrrad zur Bahn. Und dann geht es mit den ganzen Entscheidungen im beruflichen Alltag ja erst richtig los.
Es ist schwer von der Hand zu weisen, dass Entscheidungen unser ganzes Leben bestimmen, privat wie beruflich. Dabei trägt jede Entscheidung den Keim für Veränderung in sich. Albert Camus hat es vor Jahrzehnten bereits folgenden Maßen zusammengefasst.:

(Das) Leben ist die Summe all deiner Entscheidungen. (Albert Camus)

Das ist mir an keinem Ort so deutlich geworden, wie am Pokertisch. Aber dazu komme ich gleich.  Und wenn ein Nobelpreisträger der Literatur das sagt, kann man ruhig mal hinhören – sollte man einen. Weit gefehlt.
Oder erinnern Sie sich an Fächer oder Kurse in der Schule und Universität, in deren Titel „Entscheidung“ vorkam? Ich nicht und falls es so etwas doch gab, war es vermutlich so langweilig, dass mein Gehirn sich gegen die Speicherung der Informationen entschieden hat. Nun, so richtungsweisend Entscheidungen offenbar sind, so leicht kann man sich auch in Ihnen verlieren – daran kann ich mich gut erinnern. Emotionen, Zweifel, Ungewissheit begleiten unsere Entscheidungen und klopfen oftmals genau dann an die Tür, wenn man sie am wenigsten braucht.

Warum wir ein klares Verständnis von Entscheidungen brauchen

Wie so oft im Leben beginnt Verbesserung auch hier mit der Entwicklung eines Bewusstseins für das Thema – in unserem Fall: Entscheidungen. Wer besser versteht, was Entscheidungen eigentlich sind, übernimmt Verantwortung. Für seinen Erfolg bzw. Misserfolg, seine persönliche Entwicklung, seine sozialen Beziehungen. Wer ein klares Verständnis darüber entwickeln kann, aus welchen Elementen sich Entscheidungen zusammensetzen, kann darüber hinaus auch seine Art zu Entscheiden gezielt verbessern. Schritt für Schritt. Entscheidung für Entscheidung. Egal ob allein oder im Team, egal ob im privaten oder beruflichen Umfeld.

Was ist eine Entscheidung eigentlich? Frag doch mal Poker!

Was die Schule mir nicht zu vermitteln vermochte, tat in meinem Falle eben das Leben – wie bereits erwähnt in Form von Poker. Nun schauen sie nicht so ungläubig. Lesen Sie einfach weiter – die Sache erklärt sich gleich. Denn statt einer Karriere als Soziologe wurde ich Pokerspieler. Anfangs noch amateurhaft, später dann professionell. Entscheiden wurde erst mein Hobby, dann mein Job und dann meine Leidenschaft.  Ich begann spielend besseres Entscheiden zu lernen und meine Entscheidungsfähigkeit zu trainieren. Plötzlich sah ich nur noch Entscheidungen um mich herum. Selbst beim Essen hatte ich keine Ruhe mehr. Treffen wir durchschnittlich doch um die 200 Essens-Entscheidungen pro Tag. Und auf diesen Entscheidungen lastete, wenn man erst einmal drüber nachdenkt, ein gewaltiges Gewicht und ein hoher (Blut-) Druck.

Beim Pokerspiel geht es im Kern um ein Thema: Entscheidungen. Die eine Entscheidung ist noch nicht getroffen, da steht die nächste bereits in der Warteschlange. Entschieden werden muss schnell. Der nachfolgenden Entscheidungen ist es egal, ob man aufgrund eines Fehlers noch in Selbstmitleid schwelgt. Sie will schlichtweg nur eines – getroffen werden. Und wenn ich sie nicht treffe, dann macht es eben ein anderer. Im Zweifelsfall der Zufall. Und in der Businesswelt eben die Konkurrenz.
Dabei lernt man schnell, dass es ganz im Sinne von Paul Watzlawick nicht nur keine Nicht-Kommunikation, sondern auch keine Nicht-Entscheidung gibt. Ich kann Entscheidungen sicherlich auch verschieben, aber selbst das ist wiederum eine Entscheidung. Die meisten von ihnen treffen wir unbewusst, aber – und das ist wichtig – sie werden eben getroffen. Basierend auf meinen Erfahrungen als ehemaliger Poker-Profi hat sich für mich ein Verständnis von Entscheidungen ergeben, dass mir seither im Privaten wie auch im Beruflichen treue Dienste erwiesen hat.

(M)Eine Definition

Eine Entscheidung ist die Verteilung von begrenzten Ressourcen unter Unsicherheit.

Gut zu entscheiden bedeutet also begrenzte Ressourcen so zu verteilen, das Ziele effizient erreicht werden können. Ich halte diese Definition als sprachliche Abstraktion der Realität deshalb für brauchbar, dass sie die uns umgebende Realität – so verschieden sie für jeden einzelnen auch sein mag – im Wesentlichen abbildet. Wir alle haben nur begrenzte Ressource, bspw. Zeit, Geld, Energie, Fokus, Vertrauen.
Gleichzeitig sind die Informationen meist unvollständig. Wir wissen häufig nur bedingt, was passieren kann und noch seltener, wie wahrscheinlich es ist. Und oftmals wissen wir noch nicht einmal was wir nicht wissen. Aber dennoch müssen wir entscheiden, d. h. mit Risiko und Ungewissheit umgehen, ob es uns gefällt oder nicht.

(M)eine Entscheidungs-Formel

Wenn man zum Thema Entscheidungen googelt, liest oder Kollegen und Freunde fragt, reduzieren sich die Antworten oft auf nur einen Aspekt und selten auf die Gesamtheit des Phänomens Entscheidung. Diese begrenzte Vorstellung führt zu einem beschränkten Fokus mit allem, was damit einhergeht: schlechte Ergebnisse, böse Überraschungen, Jammern.
Mit letzterem habe ich so meine eigenen Erfahrungen, insbesondere aus der Anfangszeit des Poker Spielens. Aber halt – wir kommen vom Thema ab.
Wenn ich Entscheidungen als eine Formel ausdrücken müsste, sähe diese wie folgt aus:

Mindset + Methode + Zufall = Ergebnis

Wer also zu einem besseren Entscheider werden will, der hat zwei Baustellen: das Mindset und die Methode. Für mich ist das Mindset – also was wir denken und glauben – die Basis für jede Methode.
Methoden gibt es bekanntlich viele – für jede erdenkliche Situation eine andere, von einfach bis komplex, von theoretisch bis praktisch.
Aber sie sind eben nur so gut, wie man sie auch anzuwenden, d. h. mit Daten, Annahmen und Schlussfolgerungen zu füttern versteht. Ansonsten kann man sich unter Verwendung jeder Methode das vorliegende Entscheidungsproblem so zurechtbiegen und interpretieren, dass jede noch so absurde Entscheidung plausibel klingt. Wem es aber gelingt eigene Denkmuster reflektieren, zu hinterfragen und insbesondere durch Feedback anderer zu korrigieren, entwickeln und verbessern, dessen Chance auf bessere Entscheidungen steigen erheblich.
Darauf aufbauend, ergibt auch die Entwicklung der eigenen Methoden-Kompetenz mehr Sinn und ist gleichzeitig erheblich erfolgversprechender. Und zu guter Letzt bleibt noch das, was ich aus meiner Zeit als Poker-Profi noch frisch in Erinnerung habe. Etwas, dass ich in Artikeln, Berichte und insbesondere Erfolgsstorys gerade deshalb so vermisse: der Zufall.

Entscheiden – ohne Zufall fehlt da was

Das Element Zufall im Kontext von Entscheidungen anzuerkennen und akzeptieren soll und darf hierbei keineswegs als Entschuldigung oder Ausrede dienen. Vielmehr ist es – eng verknüpft mit dem Mindset – etwas, das im Rahmen von Entscheidungen einen Einfluss hat und daher der Vollständigkeit halber berücksichtigt werden muss.
Der zentrale Unterschied zwischen Zufall und Mindset bzw. Methode ist augenscheinlich die Nicht-Beeinflussbarkeit. Wenn man also diese Elemente – Mindset und Methode aber auch den Zufall als Elemente der Entscheidungs-Gleichung begreift, dann ergeben sich Resultate auch nicht mehr als etwas so scheinbar allein im Raum stehendes.
Vielmehr werden Ergebnisse zur logischen Konsequenz der Kombination von Mindset und Methode und Zufall. Nach diesem Verständnis wird das Mindset in erster und die Methode in zweiter Instanz zum Objekt der Begierde. Beides kann durch gezielte Intervention verbessert werden kann.
Damit wissen wir jetzt wie wir die von Albert Camus angesprochene Summe erhöhen können. Sofern man das will. Aber das muss letztlich jeder selbst entscheiden.

Sie wollen mehr darüber wissen, wie ich Poker in Team-Events nutze, um das Mindset und die Entscheidungskompetenz von Teams zu entwickeln? Einfach HIER klicken.

Ich wünsche Ihnen einen entscheidungsfreudigen Tag.

Tino Engel